Späte (Selbst-) Diagnose bei ADHS – Wenn sich auf einmal das ganze Leben erklärt

Erstaunlich viele Menschen finden erst im Erwachsenenalter heraus, dass sie ADHS haben. Oft geschieht dies in besonders schwierigen Phasen des Lebens (z.B. während einer Pandemie oder am Ende des Studiums), da bestimmte ADHS-Verhaltensweisen unter dem Stress schwieriger zu kompensieren sind und stärker Auffallen. Diese Erfahrung wird oft begleitet von ganz unterschiedlichen Gefühlen: Von Erleichterung – „Endlich weiß ich, wieso ich bin, wie ich bin“, über Wut: „Wieso hat das niemand bemerkt“, Zweifeln: „Oder bilde ich mir das doch nur alles ein?“, Trauer: „Was hätte ich in meinem Leben anders machen können, wenn ich Bescheid gewusst hätte?“, bis zu schockartigen Erkenntnissen: „Ich werde nie das Leben führen, das ich führen wollte/sollte“. Dieses verständliche Gefühlswirrwarr kann einige Wochen, sogar Monate anhalten und kann sehr stressig und überfordernd sein. Rückwirkend wird das gesamte Leben noch einmal durchgegangen und neu bewertet. Bei mir findest Du Unterstützung, damit dieser Prozess eher heilsam als frustrierend wird; Du neben der Trauerarbeit auch die Chancen erkennst, die sich Dir mit dem Wissen darum, wie Dein Gehirn funktioniert, eröffnen; Du die Beratung an der Hand hast, die Du jetzt brauchst und das Ganze von jemandem, die das alles selbst zweimal durchgemacht hat (ADHS mit 29 und Endometriose mit 38 Jahren) und dadurch Deine Gefühle und Gedanken nicht nur ernst nimmt, sondern nachvollziehen kann.

Wie es zu späten ADHS-Diagnosen kommt

Ob ADHS im Kindesalter erkannt wird, liegt meist daran, wie „störend“ man auf andere wirkt. Dies ist häufig beim hyperaktiven Kind gegeben. Hyperaktivität kann sich allerdings auch nach innen richten – zeigt sich in Tagträumereien, nervöser Unruhe, Gedankenkreisen. Dies stört im Schulunterricht nicht, daher wird es nicht entdeckt. Der unaufmerksame Typ ohne äußerlich sichtbare Hyperaktivität kommt häufiger bei Frauen vor – stereotype Frauenbilder sind dabei nicht zu unterschätzen. Klar richtet sich die Hyperaktivität nach innen, wenn man brav, artig, lieb, hübsch und fürsorglich zu sein hat, und klar richtet sie sich eher nach außen, wenn man sich dreckig machen und herumtoben darf. Natürlich gibt es auch hyperaktive Mädchen und andersherum unaufmerksame Jungen. Die meisten meiner spät-diagnostizierten Klient:innen sind jedoch Frauen. Es ist bei mir übrigens vollkommen egal, ob Du eine offizielle Diagnose hast oder eine Selbst-Diagnose, du brauchst Dich nicht um Legitimation zu sorgen.

ADHS hat eine starke genetische Komponente. Ich kenne niemanden, in dessen Familie nur eine Person ADHS hat oder autistisch ist (Autismus und ADHS teilen sich gleiche Genabschnitte, treten also gehäuft in Familien gemeinsam auf). Allerdings wurde ADHS in der Elterngeneration noch seltener erkannt, so dass es in vielen Familien einfach normal ist, ADHS-Eigenschaften zu haben. So fällt das Ganze natürlich nicht auf und wird auf vererbte Charaktereigenschaften geschoben („Ach, das ist normal, das hat jede:r“, bzw. „Der Papa ist doch genauso“ – sind hier sehr beliebte Sätze). Neben dem simplen Nichterkennen des ADHS kommt es dabei auch zu anderen Problemen:

Späte Diagnose und Selbstwert

Bei einer späten Diagnose hat das Selbstwertgefühl oft lange gelitten. Die eigene Wahrnehmung wurde uns abgesprochen, Gaslighting war unser täglich Brot, wir haben gelernt, dass wir charakterschwach sind, faul vor allem, aber durchaus auch dumm, dass wir ständig überreagieren, übersensibel sind, nicht richtig fühlen, nicht richtig handeln, uns nicht richtig verhalten, also im großen und ganzen einfach nicht okay so sind, wie wir sind (Spoiler: Nichts davon ist wahr!). Darüber haben wir verlernt, uns – unserer Intuition, unserem Körper, unseren Gefühlen – zu vertrauen. Und das ist eine Schande, denn gerade bei reizoffenen Menschen ist die Intuition sehr stark ausgeprägt: Denn wir nehmen unbewusst und bewusst viel mehr kleine, „unwichtige“ Details wahr, die uns erahnen lassen, wenn etwas gut ist, wann irgendetwas nicht stimmt etc. Dadurch, dass uns aber immer wieder suggeriert wurde, dass unsere Wahrnehmung falsch ist, misstrauen wir unserem Gefühl („Ach, ich reagiere doch bloß wieder über…“) und können keine klaren, guten Entscheidungen treffen, bringen uns im Extremfall sogar in gefährliche Situationen. Es ist an der Zeit, dass Du lernst, Dir selbst wieder zu Vertrauen, Deine Bedürfnisse wahrzunehmen und zu priorisieren und alte Glaubenssätze loszulassen. Im Counseling können wir auch das gemeinsam angehen.

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