ADHS und Autismus treten häufig zusammen auf, aber erst seit 2013 besteht die Möglichkeit, dass beide Diagnosen gleichzeitig bei einer Person gestellt werden können. Bedauerlicherweise ist die Diagnostik meilenweit zurück, da sie nach wie vor separat durchgeführt wird, Diagnostiker·innen hartnäckig in veralteten Denkweisen verharren und sich entweder auf Autismus oder ADHS beschränken. Dies kann zur Folge haben, das keine der beiden Diagnosen gestellt wird, da durch das gemeinsame Auftreten die klassischen Stereotypen für monospezialisierte Fachpersonen nicht mehr deutlich genug hervortreten und somit die herkömmliche Diagnosepraxis überfordert. ADHS und Autismus können sich stören und sich gleichzeitig unterstützen. Heraus kommt ein Eigenschaftencluster, das sich signifikant von den jeweils individuellen Merkmalen von ADHS oder Autismus unterscheiden kann. Daher sollte ADHS-Autismus als eigenständige Diagnose betrachtet und generell ADHS- sowie Autismus-Diagnostik in eine Hand gegeben werden – mit Experten, die sich wirklich gut mit beidem einzeln sowie mit ihrer gleichzeitigen Präsenz auskennen. Es wird höchste Zeit, das Gatekeeping bei Diagnosen zu überwinden und individuelle Erfahrungen, die gelebte Realität und Innenwahrnehmung des Individuums umfassend zu respektieren.
Bei manchen dominiert eine der beiden Neurodivergenzen, wobei sich dies im Verlauf unterschiedlicher Lebensphasen ändern kann. Wenn nur eine der beiden Diagnosen vergeben wird und zwar viele Charakteristika passen, fühlt man sich doch oft noch nicht vollständig zugehörig, es fühlt sich noch nicht zu 100% stimmig an, als würde immer noch ein Teilchen fehlen.
Vor allem wenn sich andere Diagnosen im psychotherapeutischen Bereich ansammeln, man in viele unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen und psychische Erkrankungen einsortiert wurde, weil einfach keine so richtig passen will, dann sollte man dringend noch einmal den Blick auf ADHS-Autismus richten. Diese Vielfalt an Fehldiagnosen, die aus Hilflosigkeit und Unwissen, manchmal leider aber auch aus purer Ignoranz entstehen, ist medical Gaslighting und kann großen Schaden anrichten – jede Psychoterapeut·in, jede Psychiater·in sollte in so einem Fall also sofort hellhörig werden.

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