Neurodivergenz und Selbstdiagnosen

Selbstdiagnosen sind valide!

Selbstdiagnosen sind sogar notwendig, weil ohne sie meist gar keine offizielle Diagnose möglich ist, denn das Fachpersonal kennt sich in der Regel NICHT mit ADHS/ASS aus. Es kommt vor der Selbstdiagnose zu vielen Fehldiagnosen, Odysseen durchs Gesundheitssystem und Verlängerung von Leiden.

Selbstdiagnose heißt nicht: Ich bin eine Zeit lang überfordert und denke deshalb, ADHS zu haben, weil ich das mal irgendwo gelesen habe. Oder: Habe da mal nen Selbsttest im Internet gemacht. Selbstdiagnose ist ein Erkenntnisprozess, der gemeinhin mit viel Recherche einhergeht und der das gesamte (!) Leben erklärt. Das ist eine Zeit der krassen Auseinandersetzung mit ADHS und mit sich selbst und mit der Vergangenheit. Selbstdiagnose ist ein harter, lebensverändernder Prozess, der sich auch oft wie ein Trauerprozess anfühlt.

Und oft kommt die Erkenntnis eben erst in Überlastungssituationen, weil sich unter Stress ADHS/ASS-Eigenschaften verstärken. Das ist auch ein Grund, warum seit Pandemie-Beginn das immer mehr Leute mitbekommen (sowieso: es fielen hier viele Strukturen weg, gab krasse Unsicherheiten und Veränderungen, so dass die Coping-Mechanismen nicht mehr gut funktionierten). ADHS und Autismus sind gerade bei Frauen immer noch stark unterdiagnostiziert.

Liebe Selbstdiagnostizierte, bitte, bitte, bitte lasst euch nicht einschüchtern von dem Gerede über Modediagnosen u.ä. von hauptsächlich neurotypischen Menschen da draußen. Eine Selbstdiagnose ist keine Ausrede, sondern eine Erklärung. Das begreift nur, wer selbst durch den Prozess gegangen ist. Und ja, es ist auch normal, dass es euch verunsichert, es gibt dieses Phänomen des Imposter-Syndroms der Selbstdiagnostik (hört nach der offiziellen Diagnostik nicht unbedingt auf).

Vertraut auf euer Gefühl, eure Intuition, Empfindungen. Vertraut auf eure Erfahrungen, vertraut auf eure Innenperspektive. Das wurde euch jahrzehntelang abgesprochen. Holt es euch zurück.

Ihr werdet gesehen. Wir sind viele.